Forum Anwaltsgeschichte
„Sich in die Vergangenheit zu versenken mag persönliche Liebhaberei sein. Aber mit der Geschichte das Wesen unseres Berufs zu erforschen, aus ihr die richtige Grundauffassung zu gewinnen, die unser Handeln täglich und stündlich bestimmt, das ist ein Aufgabe, deren Größe auch der nicht verkennen kann, der nicht gern die Staubluft des Altertums atmet.“
(Adolf Weißler, Geschichte der Rechtsanwaltschaft, Leipzig 1905)
Bereits im Februar 1993 fand auf Initiative von Gerhard Jungfer ein erstes Treffen von Juristen – hauptsächlich Anwälten – statt, die sich durch ihr spezielles Interesse an der Geschichte der deutschen Rechtsanwaltschaft verbunden fühlten. Die Gruppierung hatte ursprünglich keine Rechtsform, man traf sich in unregelmäßigen Abständen und an wechselnden Orten. Es bestanden von Beginn an Kontakte sowohl mit dem Deutschen Anwaltverein als auch der Bundesrechtsanwaltskammer. Im Interesse einer Verfestigung der Organisation und einer besseren Arbeitsteilung, aber auch um Wirkungsmöglichkeiten und Publizität des Projektes zu vergrößern, haben wir uns im Jahr 2002 zur Gründung eines Vereins entschlossen, der selbstverständlich allen offen steht, die sich der Thematik widmen möchten – also auch Nichtjuristen.
Unser gemeinsames Interesse gilt der Geschichte der Rechtsanwaltschaft und des Anwaltsberufes. Getragen von der Überzeugung, dass sowohl die Wissenschaft als auch und insbesondere der Berufsstand selbst anwaltsgeschichtliche Themen über Jahrzehnte hinweg sträflich vernachlässigt haben, ist es das zentrale Bestreben des Forums Anwaltsgeschichte, für diese Fragen Interesse zu wecken und wach zu halten. Es gilt, das „Gedächtnis der Anwaltschaft“ zu erhalten und zu pflegen.
Dabei ist unser besonderes Augenmerk auf den Verlauf und die Auswirkungen der historischen Umbrüche im Deutschland des 20. Jahrhunderts aus der Perspektive der Anwaltschaft gerichtet, zumal deren Nachwirkungen bis zum heutigen Tage spürbar sind. Wir betrachten es als eine Verpflichtung der Anwaltschaft heute, sich mit dieser Vergangenheit – also der Vorgeschichte und den Folgen der NS-Diktatur und damit auch der Zweiteilung der deutschen Anwaltschaft nach 1945 – zu befassen und zu fragen, welche Lehren hieraus für die Gegenwart zu ziehen sind. Hier hat sich in den letzten Jahren ein regionalgeschichtlicher Forschungsansatz als besonders fruchtbar erwiesen.
Sicherlich ein hoher Anspruch, den wir uns selbst gestellt haben, aber wir kennen auch unsere Grenzen: Ein solcher Verein ist kein wissenschaftliches Institut, das sich mit Advokaturgeschichte professionell befassen kann. Dazu fehlt den Mitgliedern, soweit sie als Anwälte im Beruf stehen, nicht nur die ständige Rückkopplung mit der wissenschaftlichen Forschung, sondern auch die nötige Zeit. Aber wir wollen durchaus aktiv – durch Veranstaltungen, Publikationen, Projekte – an der Darstellung und Erforschung der Berufs- und Standesgeschichte mitwirken. Wir sind überzeugt davon, dass (auch) die Anwaltschaft den Blick zurück richten muss, denn die Gegenwart ist nur erklärbar durch das, was vergangen ist, und außerdem: Die Leistungen früherer Berufsgenerationen haben unseren Respekt verdient, können vielleicht sogar Vorbild sein, die Erkenntnis ihrer Fehlleistungen möge uns davor schützen, sie zu wiederholen.
So heißt es in § 2 der Vereinssatzung:
„Die Erinnerung an die Geschichte der anwaltlichen Berufsausübung, des Berufsstandes und an einzelne Anwaltspersönlichkeiten ist darüber hinaus Bildungsförderung, indem sie ein historisches Bewusstsein schafft, zur Identifikation anregt, zum besseren Verständnis der Gegenwart beiträgt und im Wege der Erkenntnis von Erfolg einerseits, Scheitern und Versagen andererseits hilft, das zukünftige Berufsbild zu gestalten.“