Kriegsverrat
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... Immer doch
schreibt der Sieger die Geschichte des Besiegten
Dem Erschlagenen entstellt
Der Schläger die Züge
Aus der Welt geht der Schwächere
und zurück bleibt die Lüge
Bertolt Brecht
Zum Streit um die "Kriegsverräter" des Zweiten Weltkrieges
Worum geht es?
63 Jahre nach Kriegsende tun sich Teile des Bundestages noch immer damit schwer, das Unrecht der Wehrmachtjustiz vorbehaltlos einzugestehen und alle zum Tode verurteilten Wehrmachtsoldaten zu rehabilitieren.
Schon die Vorgeschichte ist beschämend: Ein im Jahre 1995 gemeinsam von der SPD und den Grünen gestellter Antrag, die Verurteilungen wegen Kriegsdienstverweigerung, Fahnenflucht und „Wehrkraftzersetzer“ aufzuheben, fand im Bundestag keine Mehrheit. Bereits damals hatte Norbert Geis, der rechtspolitische Sprecher von CDU/CSU erklärt, seine Fraktion „werde in keinem Fall Bestrebungen nachgeben, den Deserteuren der Wehrmacht von vornherein einen Persilschein auszustellen. Sonst würde man denjenigen Wehrmachtrichtern Unrecht tun, die mit großem Mut dem Druck von Partei und Gestapo widerstanden und sich um ein unabhängiges richterliches Urteil bemüht" hätten, und sich an der "Verleumdungskampagne gegen Hans Filbinger" beteiligen.
Erst mit dem Unrechtsbeseitigungsgesetz vom 25.08.1998 wurden die „Wehrkraftzersetzer“ und Deserteure rehabilitiert, noch immer aber nicht die Todesurteile gegen „Kriegsverräter“ aufgehoben.
Im Oktober 2006 hat die Bundestagsfraktion Die Linke mit einem Gesetzentwurf beantragt, endlich auch die Todesurteile gegen „Kriegsverräter“ aufzuheben. (Gesetzentwurf: siehe hier) Die Fraktionen der CDU / CSU und FDP sträuben sich noch immer dagegen, allen Opfern der Wehrmachtjustiz Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Sie bleiben bei der Forderung, die „Kriegsverräter“ bzw. die Hinterbliebenen, müssten sich in jedem Fall einer „Einzelfallprüfung“ stellen. Viele von ihnen, vor allem die Überläufer, hätten als „simple verbrecherische Verräter (...) oft in verbrecherischer Weise den eigenen Kameraden geschadet, ja sie oft in Lebensgefahr gebracht“ (Norbert Geis).
Um dies zu belegen, benötigten die Rehabilitierungsgegner wenigstens ein einziges Urteil, das sich auch nach heutigen Maßstäben aufrecht erhalten lässt. Das von Professor Dr. Rolf-Dieter Müller, dem von der CDU gestellten Sachverständigen, prompt gelieferte Paradebeispiel für einen „wirklich verwerflichen Kriegsverrat“ beeindruckte zwar die Abgeordneten des Rechtsausschusses. Inzwischen steht aber fest: Dieses auch vom Spiegel (Nr. 18/2008) unbesehen übernommene Urteil ist allein der Phantasie des Sachverständigen Müller entsprungen. Näheres in dem in der Zeitschrift Ossietzky Nr. 23/2008 erschienenen Artikel „Geschichtsfälschung im Dienst der Politik“, abrufbar auch hier.
Auch die anderen am 5. Mai 2008 vom Rechtsausschuss gehörten Sachverständigen konnten trotz angestrengter Suche kein heute noch haltbares Kriegsverräturteil benennen. Der für die FDP auftretende Sachverständige Professor Sönke Neitzel verlegte sich in doppelter Fiktion auf bloß spekulativ von ihm vermutete Verratshandlungen, die „möglicherweise“ zu Verurteilungen geführt hätten.
Die SPD-Fraktion befindet sich in einem Dilemma. Alle Abgeordneten der SPD stehen in der Sache hinter dem Antrag. Dieser hat nur einen einzigen Fehler: er kommt von der Linksfraktion, die damit nur eine „Show“ abziehen wolle. Es ist aber an der Zeit, dass der Bundestag dies unwürdige Schauspiel beendet und endlich allein auf der gesicherten Grundlage der militärhistorischen Forschung entscheidet. Danach hat es sich bei der Wehrmachtgerichtsbarkeit um eine Willkürjustiz gehandelt. Wie Professor Wolfram Wette in seinem Buch „Das letzte Tabu. Kriegsverrat“ mit Akribie nachgewiesen hat, waren insbesondere die Kriegsverratsurteile nicht einmal nach den NS-Gesetzen gerechtfertigt.
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