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Neues zur Auseinandersetzung um die Rehabilitierung der „Kriegsverräter“

Neues zur Auseinandersetzung um die Rehabilitierung der „Kriegsverräter“

Aufruf zur Einmischung

Nach erneut monatelangem Stillstand in der „Kriegsverräter“-Debatte des Bundestages muss leider wieder über den Stand der Dinge berichtet werden.

Zur Erinnerung:

Im Jahre 2001 hatte der Bundestag alle Unrechtsurteile der Wehrmachtsjustiz aufgeho­ben, mit einer Ausnahme: die Todesurteile wegen „Kriegsverrat“. Im Oktober 2005 bean­tragte die LINKS-Fraktion das Versäumte nachzuholen. Nach Überweisung des Gesetzes­antrages an den Rechtsausschuss fand dort im Mai 2008 eine Anhörung statt. Das Gut­achten des von der CDU bestellten Sachverständigen gab den Rehabilitierungs­gegnern scheinbar Recht. Dann stellte sich heraus, dass Professor Rolf-Dieter Müller die wichtigs­ten Fakten frei erfunden hatte (vgl. dazu u. a. DER SPIEGEL Nr. 5 v. 26.1.2009 („Der letzte Kampf“). Doch traten die Beratungen weiterhin auf der Stelle. Wegen des bevorste­henden Endes der Legislaturperiode blieb dem Antragsteller, der LINKS-Fraktion, nichts anderes übrig, als auf der Grundlage der Geschäftsordnung des Bundestages (§ 62 Abs. 2) für die letzte Maiwoche eine Plenardebatte zu erzwingen. Diese wird voraussichtlich am 29. Mai 2009 stattfinden. Die Zeit drängt also!

Die Entscheidung ist noch immer offen. Entgegen ihrer auf parteitaktische Erwägungen gestützten ursprünglichen Zurückhaltung ist die SPD-Fraktion (neben den Grünen) vorbe­haltlos für die Rehabilitierung. Jetzt ist es nur noch die Koalitionsdisziplin, die der SPD Kopfzerbrechen bereitet. Und auch in der CDU/CSU-Fraktion sind es nur gewichtige Hardliner, die die Aufhebung der Todesurteile strikt ablehnen.

Dabei wird es für die Rehabilitierungsgegner in den Reihen der Union immer schwieriger, ihren Standpunkt zu begründen. Nach einem schon im Februar einge­gangenen, aber erst jetzt bekannt gewordenen Gutachten des ehemaligen Ver­fassungs­richters Professor Hans Hugo Klein (CDU) war der Kriegsverratsparagraf mit seinem viel zu vage formulierten Tat­bestand und der zwingend vorgeschriebenen Todesstrafe nichts anderes als „die Grund­lage für eine Vielzahl von in die äußere Form von Gerichtsurteilen gekleideten Tötungs­verbrechen“. Das überzeugte sogar Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU). Er ließ seine früheren Vorbehalte fallen und schrieb am 17. März 2009 an Justizministerin Brigitte Zypries, dass es aufgrund des Gutachtens von Professor Klein in rechtlicher Hinsicht gegen die Rehabilitierung „von hier aus keine Vorbehalte“ gibt. Seitens der FDP sind gegen die Rehabilitierung in der Sache selbst noch nie Bedenken vorgetragen worden. Aber offensichtlich will man sich hier der Linie der CDU/CSU anschließen. Wo liegen die Ursachen für die Blockade der CDU? Was treibt eine einflussreiche Gruppe von Unions-Abgeordneten zu ihrer Diffamierung der „Kriegsverräter“ des Zweiten Weltkriegs, obgleich sie doch einer ganz anderen Generation angehören? So sehr man sich die Frage verbieten möchte: Leben hier manche Abgeordnete noch immer in den Denkkategorien einer im Kern sauber gebliebenen Wehrmacht?

Auf der Suche nach einem Ausweg hält die SPD-Fraktion einen im BMJ bearbeiteten Gesetzentwurf bereit, dem unter Zurücksetzung ihres eigenen Antrages auch die LINKE zustimmen würde. Doch möchte die SPD nicht einmal diesen in der Begründung abge­schwächten Entwurf gegen den Willen der CDU/CSU durchsetzen. Es bliebe die Möglich­keit, in dieser ethisch besetzten Frage das Gewissen der Abgeord­neten sprechen zu lassen und die Abstimmung freizugeben.

Ein Scheitern des Rehabilitierungsantrages würde zu einer in der deutschen Parlaments­geschichte einmaligen absurden Situation führen. Entgegen einem sich über alle Bereiche erstreckenden Konsens würde eine überfällige Bereinigung von NS-Unrecht scheitern:

  •  trotz einer in der Sache vorhandenen Abgeordnetenmehrheit
  • entgegen den nicht mehr angezweifelten historischen Fakten und der juristischen und rechtshistorischen Beurteilung
  • schließlich entgegen der klaren Linie in der öffentlichen Meinung.

In der inzwischen klar auf der Linie von Wolfram Wette liegenden historischen und rechts­historischen Literatur gibt es keine einzige Stimme, die sich gegen das Rehabilitierungs­anliegen ausspricht. Dasselbe gilt für die Presse und die übrigen Medien. An­standslos wird die Forderung nach Aufhebung der Todesurteile begrüßt. Um aus der Fülle der zustim­menden Berichte nur einige aus den letzten Monaten zu erwähnen:

Aufruf zum bürgerschaftlichen Engagement:

Es handelt sich bei der bevorstehenden Plenardebatte um die wohl letzte Befassung des Bundestages mit der Aufarbeitung des Nationalsozialismus. Am Ende sollte etwas anderes stehen als ein unwürdiges parteitaktisches Spiel unter Aufrechterhaltung nationalsozia­listischen Unrechts.

Appellieren Sie an für die Entscheidung im Bundestag wichtigen Abgeordneten bzw. Fraktionen! Schreiben Sie insbesondere an die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag oder deren Obmann Carl-Christian Dressel
(Mail-Anschrift:
Carl-Christian.Dressel(at)bundestag.de)

Und wenden Sie sich vielleicht auch an die Abgeordneten Ihres Wahlkreises, insbe­sondere an Abgeordnete der SPD und CDU. Nützlich wäre auch die Aufforderung, etwaige Bedenken gegen das Rehabilitierungsanliegen mitzuteilen. Die Anschriften der Abge­ordneten Ihres Wahlkreises lassen sich dem Internet und dem Handbuch des Bundes­tages entnehmen.

Mit Rücksicht auf das nahende Ende der Legislaturperiode ist die Sache eilig. Nach dem jetzigen Stand wird der Bundestag am 29. Mai 2009 entscheiden.

Wolfenbüttel, 20.05.09

Helmut Kramer

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aktuelle und weitere Informationen finden Sie auf meiner Website 
www.justizgeschichte-aktuell.de  unter der Rubrik Kriegsverrat

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Die Mitglieder des 16. Deutschen Bundestages und des Rechtsausschusses

Bei Aufruf der jeweiligen Abgeordneten finden Sie dort auch deren Anschrift und EMAIL-Adresse:

 

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