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Pressemitteilung des Forum Justizgeschichte vom 05.08.04

 PRESSEMITTEILUNG

des Forum Justizgschichte

vom 05.08.2004

 

Entscheidungen des Amtsgerichts Braunschweig verfassungswidrig
Bundesverfassungsgericht hebt die Verurteilungen
des Richters Helmut Kramer
wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz auf

 

Mit einer heute bekannt gegebenen Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht zwei Urteile des Amtsgerichts Braunschweig und des OLG Braunschweig wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben.

Dabei geht es um folgenden Sachverhalt:

Nach einem aus der NS-Zeit stammenden Gesetz – dem Rechtsberatungsgesetz von 1935 – ist es Nichtanwälten verboten, Nachbarn und andere ratsuchende Bürger in Rechtsdingen zu beraten. Das bedeutet zugleich, dass alle Bürger selbst in einfachen Rechtsfragen zum vielleicht kostspieligen Gang zum Anwalt gezwungen werden, anstatt sich von einem in Rechtsdingen erfahrenen Freund oder Nachbarn helfen zu lassen.

Um dieses weltweit einzigartige Verbot von Nachbarschaftshilfe zur Überprüfung zu stellen, hatte der Richter am OLG a.D. Dr. Helmut Kramer, der Vorsitzender des Forum Justizgeschichte e.V. ist, im Jahre 1998 Anzeige gegen sich selbst erstattet. Er hatte zu Protokoll gegeben, dass er u. a. kostenlos Pazifisten beraten und die Staatsanwaltschaft Braunschweig zur Aufhebung eines NS-Todesurteils aus dem Jahre 1944 veranlasst hatte. Seine Braunschweiger Kollegen verurteilten ihn in allen Instanzen zu Geldbussen von insgesamt € 800,00. So mussten sich auf die Verfassungsbeschwerde Kramers die Karlsruher Richter mit dem Fall befassen.

Mit seiner Selbstanzeige ging es Kramer weniger um seine eigene Person als um eine Überprüfung des Verbots der altruistischen Rechtsberatung überhaupt. Dieses Verbot verwehrt nämlich allen Bürgern einen erleichterten Zugang zum Recht. Einer solchen Überprüfung ist das Bundesverfassungsgericht ausgewichen, indem es die Entscheidung darauf gestützt hat, dass die rechtliche Beratung  durch einen Volljuristen und ehemaligen Richter nicht die sog. Schutzzwecke des Gesetzes gefährde.

Doch ist das Ende des Verbots der Nachbarschaftshilfe in Rechtsdingen auf andere Weise in die allernächste Nähe gerückt: Durch die Verurteilungen Kramers ist auch der Gesetzgeber hellhörig geworden. Noch in diesem Monat wird das Bundesjustizministerium den Entwurf eines neuen Rechtsberatungsgesetzes vorlegen. Von diesem ist schon jetzt bekannt, dass das Verbot der kostenlosen Rechtsberatung komplett aufgehoben werden wird.

Kramer dazu „Das Recht ist viel zu wichtig, als dass man es den Juristen allein überlassen darf“.

Beschluss :

BVerfG, 1 BvR 737/00 vom 29.7.2004, Absatz-Nr. (1 - 24),

http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20040729_1bvr073700.html