- Moritz Klein
Stolperstein für Moritz Klein
Der Mord an Moritz Klein und die Folgen
Dr. Helmut Kramer, 07.10.2011
Das Todesurteil von 1942
Der Helmstedter jüdische Ziegeleiarbeiter Moritz Klein soll im Jahre 1942 wiederholt zwei Kinder sexuell berührt haben. Nach dem Unrechtsgehalt eines derartigen Sittlichkeitsdelikts hätte er selbst nach den harten Maßstäben des nationalsozialistischen Strafrechts eine Gefängnisstrafe, höchstens eine Zuchthausstrafe verdient. Das Sondergericht Braunschweig verurteilte ihn jedoch am 18. August 1942 zum Tode. Damit gingen die Richter über die für Sittlichkeitsdelikte maßgebende Strafrechtsvorschrift (§ 176 RStGB) weit hinaus, sogar über das nach ihrer Auslegung gleichfalls verletzte rassistische „Blutschutzgesetz“, wonach gleichfalls nur eine Freiheitsstrafe in Frage kam. Zu der furchtbaren Strafschärfung gegen Moritz Klein, der zuvor noch nie eine Straftat begangen hatte, gelangten sie unter Heranziehung des Gesetzes über gefährliche Gewohnheitsverbrecher (§ 20 a StGB). In einer Zusatzregelung vom 8. September 1941 ermöglichte dieses nationalsozialistische Gesetz die Todesstrafe, „wenn der Schutz der Volksgemeinschaft oder das Bedürfnis nach gerechter Sühne es erfordert“. Die dürftige Begründung des Gerichts lautete: „Die Strafe für einen Juden, der nach seiner Angabe mit Interesse die Geschehnisse in Deutschland verfolgt (...), der im Jahre 1942, der im 10. Jahr nach der Machtübernahme noch Sittlichkeitsverbrechen an kleinen Kindern begeht, nachdem er durch Hingabe von Süßigkeiten und kleinen Geschenken sie sich zutraulich gemacht hat, kann nur die Ausmerzung sein. Unerheblich ist, dass der Angeklagte entgegen der Art seiner Stammesgenossen durch körperliche Arbeit den Lebensunterhalt verdiente.“ Diesen Versuch des Sondergerichts, sich in der Urteilsbegründung den Anschein der juristischen Korrektheit und Gründlichkeit zu geben, kommentierte der Braunschweiger Generalstaatsanwalt Fritz Bauer in seinem Schriftsatz vom 23.10.1951 an den Braunschweiger Strafsenat mit der Bemerkung: „Etwas kürzer hat es nur noch der Patriarch in Lessings „Nathan“ gesagt: ‚Tut nichts! der Jude wird verbrannt!’“
Moses Klein wurde am 22. September 1942 in Wolfenbüttel hingerichtet.
Fritz Bauer, Braunschweiger Generalstaatsanwalt
Unterstützung des NS-Unrechts durch die Presse
Ein drastisches Beispiel für die Unterstützung des nationalsozialistischen Unrechtsregimes gibt die Begleitung dieses Justizmordes durch die Presse, in einem Artikel der Braunschweiger Tageszeitung vom 20.08.1942: „Man braucht gar nicht erst den Zionstern auf der Brust des 49-jährigen Angeklagten Moses Klein aus Helmstedt zu sehen, um in ihm nicht sogleich einen typischen Vertreter seiner Rasse zu erkennen. Mit einem „mit beredten Händen“ unterstützten Gemauschel überfiel der das Sondergericht (...). Ein unerschöpflicher Wortschwall sollte seine Schandtaten verdecken und verkleinern, doch blieb sein widerliches Geseires vor den deutschen Richtern natürlich ohne Erfolg. Im Gegenteil machte ihn sein teuflisches Grinsen und sein verschlagener Blick, der seine ganze Verkommenheit offenbarte, nur noch widerwärtiger. Dass er dazu noch nach Strich und Faden log, und vorgab, sich an Einzelheiten nicht zu erinnern (...), machte das Gericht nicht milder gestimmt.
Im ehemaligen Polen geboren, kam Moses Klein 1914 nach Deutschland, wo ihm die geordneten Verhältnisse aber wenig zusagten; denn bald darauf ging er nach Belgien, 1917. Wohl als er Frühlingsluft witterte, kehrte er zurück und nahm in Helmstedt Wohnung. In einem unterschied er sich nun zwar von seinen Rassegenossen. Er verstand es nicht, sich durch Schacher an der Arbeitsleistung deutscher Menschen zu mästen und ein Schmarotzerleben zu führen, sondern er musste wirklich von seiner Hände Arbeit sein Dasein fristen. Das war jedoch nicht etwa sein Verdienst; denn bei ihm reichten einfach die Geistesgaben nicht zu Handel, Wucher, Betrug und dergleichen, womit uns seine Brüder, die Ostjuden, in jener Zeit beglückten. Dass er aber im Übrigen nicht aus seiner Haut konnte, denn Jud bleibt Jud, und getreu der Lehre des Talmud, wonach die Kinder der Gojims für ihn nur Freiwild waren, zeigten seine Straftaten, die nun zur Aburteilung standen (...). Seine nach dem Talmud vor dem Judengott Jahwe wohlgefälligen Taten muss er nun mit dem Tode büßen“. Internetnutzer finden diesen Artikel unter www.justizgeschichte-aktuell.de/288.0.html.
Den Juden wurde auch ihre Identität genommen
Das Opferschicksal von Moritz Klein gibt Anlass, auch über die schon in den Anfängen der NS-Zeit erfolgende Entrechtung der Juden im Wege hunderter antisemitischer Gesetze und Verordnungen nachzudenken. Moritz Klein, der unter dem Namen „Moses Klein“ verurteilt wurde, erscheint unter diesem Namen bis heute auch in allen Veröffentlichungen. Wie aber kam er überhaupt zu dem Vornamen „Moses“? Jeder, der sich nur etwas mit dem Schicksal der Juden in der Zeit des Dritten Reiches beschäftigt hat, weiß: Juden wurden die Vornamen Sara (Frauen) und Israel (Männer) aufgezwungen. Warum, davon abweichend, aber nun der amtliche Vorname „Moses“? Dazu muss man die antisemitische Änderung des Personenstandsgesetzes von 1938 kennen, aber auch dessen Vorgeschichte: Die möglichst genaue „rassische“ Abgrenzung der Juden von den „arischen“ Bürgern gehörte zu den vielen gesetzgeberischen Maßnahmen, ohne die die stufenweise Entrechtung der Juden nicht möglich gewesen wäre. Schon zu Zeiten der Weimarer Republik gab es Forderungen nach einer Namensgesetzgebung, die es erleichterte, die jüdische Religionszugehörigkeit bereits an den Namen erkennbar zu machen. So zielte die Verordnung vom 21.11.1932 (VO vom 21.11.1932) darauf ab, „Bestrebungen jüdischer Personen, ihre Abkunft durch Ablegung oder Änderung ihrer jüdischen Namen zu verschleiern“, entgegenzutreten. Zahlreiche in den Jahren 1933 bis 1938 vom nationalsozialistischen Gesetzgeber erlassene Gesetzesnormen versuchten, Juden bei der Annahme christlicher Vornamen zu behindern. Zu einer endgültigen Regelung, die Juden auf jüdische Vornamen festlegte, kam es aber erst durch die Verordnung vom 17.8.1938 (Reichsgesetzblatt I, S. 1044, abgedruckt bei Josef Walk (Hg.): Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat. Eine Sammlung der gesetzlichen Maßnahmen und Richtlinien – Inhalt und Bedeutung, Heidelberg 1981, mit Kurzbeschreibung der allein im „Altreich“, also außer den besetzten polnischen Gebieten, erlassen 1973 die Juden entrechteten Gesetzesnormen). Nach der vom Reichsinnenministerium und Reichsjustizministerium erlassenen Verordnung vom 17.8.1938 kamen für die Zeit ab 1.1.1939 für männliche Juden allein der Zwangsname n „Israel“ und für weibliche Personen „Sara“ in Betracht. Diese Regelung sollte sie als Juden stigmatisieren und sie ihrer personellen Identität berauben.
Bei der Beantwortung der Frage, warum aus Moritz Klein nicht Israel Klein, sondern „Moses Klein“ wurde, hilft erst der genaue Text der VO vom 17.8.1938 weiter: „Juden, die keinen Vornamen führen, der in dem vom Innenministerium am 18.8.1938 herausgegebenen Runderlass als jüdischer Vorname angeführt ist, haben vom 1.1.1938 ab als weiteren Vornamen den Namen „Israel“ (für männliche Personen) oder „Sara“ (für weibliche Personen) anzunehmen (vgl. auch Cornelia Essner: Die „Nürnberger Gesetze“ oder Die Verwaltung des Rassenwahns 1933 bis 1945, Paderborn 2002, S. 250 ff, 255).
Nach Auskunft des Standesamtes Helmstedt führte Moritz Klein die Vornamen Moritz und Moses. So konnte er wenigstens einen Vornamen behalten, der phonetisch seinem Rufnamen Moritz ähnelte. Vielleicht hatte er es aber nur der Korrektheit des Helmstedter Standesbeamten zu verdanken, dass im Personenstandsregister nicht schematisch „Israel“ eingetragen wurde.
Bis heute erscheint Moritz Klein in allen Veröffentlichungen über seinen Fall noch mit dem ihm aufgezwungenen Namen Moses. Eine Ausnahme macht Susanne Weihmann, die in ihrem Buch über das Schicksal der Helmstedter Juden Moritz Klein mit seinem wirklichen Vornamen nennt.
Nimmt man die plakativen Überschriften ernst, mit denen der Leiter der Wolfenbütteler Gedenkstätte zur NS-Justiz in Pressemeldungen für sich werben lässt, hat er sich zur Aufgabe gemacht, „Opfern der NS-Justiz ihre Namen zurückzugeben“ (Wolfenbütteler Zeitung vom 16.06.2009 und 18.03.2010). An Moritz Klein hat er leider nicht gedacht. Sein Name und Schicksal und die Namen seiner Mörder in der Robe kommen in der Gedenkstätte überhaupt nicht vor, obgleich es sich bei Moritz Klein um den einzigen in Wolfenbüttel hingerichteten Juden handelt.
Zur Straflosstellung der Richter im Fall von Moritz Klein
Wo es Opfer gegeben hat, muss es auch Täter gegeben haben. Anfang 1948, als wohl erster Versuch eines Rechtsbeugungsverfahrens gegen NS-Richter leitete die Staatsanwaltschaft Braunschweig ein Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Braunschweiger Landgerichtspräsidenten und Vorsitzenden des Sondergerichts Hugo Kalweit und seine Beisitzer, die Richter Günter Seggelke und Rudolf Grimke mit dem Vorwurf des Totschlags ein. Dabei stützte sie sich auf die Begründung des Urteils von 1942, in der die Richter die fehlende Gesetzesgrundlage durch unverhohlene antisemitische Wendungen ersetzten. Dennoch stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren schließlich ein, weil die Richter das Unrecht nicht hätten erkennen können.
Hugo Kalweit (1882-1970)
Inzwischen hatte sich der im November 1949 ins Amt des Braunschweiger Generalstaatsanwalts gekommene Fritz Bauer eingeschaltet. Auf seine vom Justizminister bestätigte Weisung musste die Staatsanwaltschaft das Verfahren wiederaufnehmen. Am 21.08.1950 erhob sie Anklage zum Schwurgericht. Nun lehnte das Landgericht Braunschweig die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Es könne nicht nachgewiesen werden, welche der drei Richter für die Todesstrafe gestimmt hätten: „Diese Feststellung und schon eine Befragung der Beschuldigten in diese Richtung würde ein unzulässiges Eindringen in das gesetzlich geschützte Berufsgeheimnis bedeuten.“
Gegen die Nichtzulassung der Anklage legte die Staatsanwaltschaft Beschwerde ein, mit einer zusätzlichen Begründung des Generalstaatsanwalts Fritz Bauer, mit Ausführungen von ähnlicher Klarheit wie die späteren Äußerungen Fritz Bauers im Frankfurter Auschwitzprozess und in dem Verfahren gegen die am Anstaltsmord beteiligte NS-Juristenprominenz.
Doch zeigte sich, wie singulär und isoliert die Stellung von Fritz Bauer in der deutschen Justiz war. Die Beschwerde wurde am 12. Juli 1951 vom Strafsenat zurückgewiesen. Interessant und geradezu spannend ist, dass sich nach Herkunft, Lebenslauf und Mentalität zwei Antipoden in auch persönlicher Gegensätzlichkeit gegenübertraten: Der Senatsvorsitzende Dr. Hans Meier-Branecke, bis 1945 einer der ranghöchsten Wehrmachtsjuristen (dessen Täterbiographie längst in der Gedenkstätte Wolfenbüttel zu finden sein müsste) auf der einen Seite, Fritz Bauer als schon in der Weimarer Republik zum Demokraten gereifter Jurist, NS-Verfolgter und Emigrant.
Nun trat eine Wendung ein. Sie ließ die Problematik des von dem Strafsenat herangezogenen Kontrollratsgesetzes Nr. 10 und seiner möglichen Unvereinbarkeit mit dem Verbot der Rückwirkung nachträglich, also erst nach dem Ende des NS-Reiches erlassenen Gesetzes, entfallen und hätte eine Verurteilung der Braunschweiger Sonderrichter ermöglicht. Denn jetzt war die den deutschen Gerichten die hinsichtlich der unter dem Schutz der Besatzungsmächte stehenden NS-Opfer, auch der Juden, bislang versagte Anwendung des deutschen Rechts freigegeben. Deshalb forderte Fritz Bauer eine Prüfung nach deutschem Recht. Es komme Rechtsbeugung in Tateinheit mit Mord in Betracht. Der Strafsenat wies auch diese Gegenvorstellung zurück: Rechtsbeugung setze voraus, dass der Richter gegen seine Überzeugung gehandelt habe. Gerade weil alle drei Angeschuldigten überzeugte Nationalsozialisten gewesen seien, lasse sich nicht widerlegen, dass sie das drakonische Urteil in ihren nationalsozialistisch beeinflussten Gedankengängen für gerecht gehalten hätten. Originalton des Strafsenats: „Sie waren nicht hart gegen ihre Überzeugung, sondern hart aus Überzeugung.“ Unbeachtlich sei eine solche Überzeugung der Richter nur beim Nachweis einer judenfeindlichen Einstellung. Diesen Nachweis sahen die Oberlandesrichter als nicht geführt an. Dabei sahen sie über die unverkennbar antisemitischen Passagen des Urteils gegen Moses Klein großzügig hinweg.
Der Fall Moritz Klein zeigt besonders drastisch, wie unmöglich es ist, Opferschicksale von Täterbiographien zu trennen. Und welch ein Zusammentreffen! Einerseits die opportunistischen Richter des Sondergerichts (die nach ihrer Vorgeschichte und Mentalität wahrscheinlich nicht einmal fanatischen Antisemiten waren, ungeachtet der anpasserischen Urteilsgründe). Sodann die nach 1945 mit dem Rechtsbeugungsverfahren befassten Richter des Landgerichts und des Oberlandesgerichts, die sich der Verdrängungsmentalität der Nachkriegsjahre unterwarfen. Dazu die rechtspolitischen Antipoden Meier-Branecke und Fritz Bauer mit ihren geradezu beispielhaften gegensätzlichen Biographien. Die große Biographie über Fritz Bauer von Irmtrud Wojak liegt seit einem Jahr vor, meine Biographie von Hans Meier-Branecke wird demnächst veröffentlicht. Der Mord an Moritz Klein und seine Aufarbeitung nach 1945 sollte zum Anlass genommen werden, am Beispiel der Juristen Hans Meier-Branecke und Fritz Bauer zweier in Arbeitsweise und Mentalität unterschiedlicher Juristenpersönlichkeiten zu gedenken und – am Beispiel von Fritz Bauer und einiger anderen Personen – positive Beispiele für die Nutzung von Handlungsspielräumen auch in schwierigen Zeiten aufzuzeigen.
Auch kann man im Fall Moritz Klein anschaulicher als in anderen Fällen darstellen, wie sehr jene antisemitische Justiz Hand in Hand mit der Presse ging. In die Opferbiographie Moritz Klein oder – noch besser – in eine Themenakte zum Fall Moritz Klein gehört unbedingt ein Faksimile des Berichtes der Braunschweiger Tageszeitung vom 20.08.1942 über die Gerichtsverhandlung vom 18. August 1942. Der Artikel, an diffamierenden Wendungen und demagogischem Antisemitismus kaum noch zu übertreffen, ähnlich den antisemitischen Tiraden eines Ludwig Streicher und seines Hetzblattes „Der Stürmer“.
Wo es Opfer gab, hat es auch Täter gegeben
In seiner Aspektvielzahl – mit Stichworten wie „Justizmord“, antisemitische Justiz, NS-Justiz und NS-Massenpresse, antisemitische Namensgesetzgebung, gescheiterte Aufarbeitung nach 1945, personelle Kontinuitäten in der Justiz und unterschiedliche Juristenmentalitäten ist der Fall in vielfacher Hinsicht exemplarisch für den Geschichtsunterricht. Dann könnten auch weitere Namen genannt werden. So der Name von Hans Globke, im Reichsinnenministerium ab 1932 erst als Regierungsrat, dann als Ministerialrat tätig, später, von 1949 bis 1963 Ministerialdirigent und Ministerialdirektor, ab 1949 unter Konrad Adenauer Staatssekretär im Bundeskanzleramt. Im Reichsinnenministerium war er als Referent für „allgemeine Rassefragen“ zuständig für die antisemitischen Personenstands- und Namensgesetzgebung. Nachdem er an den berüchtigten „Nürnberger Gesetzen“ von 1935 mitgewirkt hatte, veröffentlichte er gemeinsam mit Wilhelm Stuckart 1936 den Kommentar zur „Reichsbürgergesetz, Blutschutzgesetz und Gesundheitsgesetz“.
Gerade im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Namensgesetzgebung muss ein weiterer Jurist genannt werden, nicht zuletzt auch wegen seiner Verbindung mit dem Braunschweiger Raum: Friedrich A. Knost. Auch er war (seit 1934) im Reichsinnenministerium in Berlin tätig, anfangs als Referent unter dem Referatsleiter Globke, dann Vizepräsident des Reichssippenamtes. Dieses unterstand dem Reichsinnenministerium und war 1934 aus der Dienststelle des Sachverständigen für Rasseforschung hervorgegangen. Mit Abstammungsbescheiden (über die „blutmäßige“ Abstammung, also über die vorhandene oder fehlende Zugehörigkeit zur „jüdischen Rasse“) entschied Knost somit über Tod und Leben von vielen Menschen.
Gemeinsam mit dem Ministerialrat Bernhard Lösener veröffentlichte auch Knost einen Kommentar über „die Nürnberger Gesetze, über das Reichsbürgerrecht und den Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“. Mit den Personenstatusdefinitionen im Kommentar machte auch er die Nürnberger Rassengesetze erst praktisch durchführbar und ermöglichte die Deportation und den Massenmord an den Juden. Ab 1952 war er Regierungsvizepräsident in Stade, 1954 Kurator der Universität Göttingen und von 1956 bis 1964 Präsident des Verwaltungsbezirks Braunschweig. Danach wurde er Präsident des Bundesverbandes der deutschen Standesbeamten. Auch war er Mitglied der Historischen Kommission für Niedersachsen. Von 1956 bis 1968 war er Vorsitzender des Braunschweigischen Geschichtsvereins. Zu seinem 80. Geburtstag am 21. September 1979 ließ der Braunschweigische Geschichtsverein seinem Ehrenmitglied Friedrich A. Knost durch eine Abordnung seine besonderen Glückwünsche aussprechen. Dazu wird in der Laudatio in dem vom Braunschweigischen Geschichtsverein herausgegebenen Braunschweigischen Jahrbuch (Bd. 60, 1979) lobend erwähnt: „In den Jahren 1931 bis 1944 erschienen von F. A. Knost nicht weniger als 340 gezeichnete Beiträge in der Zeitschrift „Das Standesamt“, darunter viele größere Aufsätze“. Die genannte Zeitschrift schärfte den Standesämtern nicht zuletzt die Beachtung der antisemitischen Namensgesetzgebung ein. Der Braunschweigische Geschichtsverein hatte bereits den im Jahre 1969 erschienenen Band 50 seines Jahrbuches „In Dankbarkeit seinem Ehrenmitglied Herrn Dr. jur. Friedrich A. Knost (...) zum 70. Geburtstag“ gewidmet.
Die Täter, die Moritz Klein und viele andere Bürger „im Namen des Deutschen Volkes“ verurteilten, verdienen auch deshalb beim Namen genannte zu werden, weil fast alle nach dem Ende des NS-Terrorregimes in öffentlichem Ansehen standen, weiteramtieren und ihre Pensionen verzehren durften, während viele Opfer und ihre Angehörigen im Nachkriegsbewusstsein weiterhin gedemütigt wurden und keinerlei Wiedergutmachung erhielten.
Seit dem 7. Oktober 2011 erinnert in Helmstedt vor dem Haus Fechtboden 5, in dem er und seine Familie zuletzt gewohnt haben, ein „Stolperstein“ an Moritz Klein.
Literaturhinweise
zum Fall „Moses Klein“:
Hans-Ulrich Ludewig und Dietrich Kuessner:
„Es sei also jeder gewarnt“. Das Sondergericht Braunschweig 1933 – 1945, Braunschweig 2000, S. 84, 242 – 245
Susanne Weihmann: „Die sind doch alle weggemacht. Juden in Helmstedt 1933 – 1945, Helmstedt 1996, S. 87 – 89, S. 106 – 111, S. 120
Zu der Beteiligung der Juristen an der Entrechtung und Verfolgung der Juden:
Cornelia Essner:
Die „Nürnberger Gesetze“ oder Die Verwaltung des Rassenwahns 1933 – 1945, Paderborn 2002, insbesondere S. 254 – 257
Helmut Kramer:
Richter vor Gericht: Die juristische Aufarbeitung der Sondergerichtsbarkeit,
in: Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.):
Nationalsozialistische Sondergerichtsbarkeit. Ein Tagungsband, S. 122 – 172
Helmut Kramer: Die Verrechtlichung des Unrechts. Der Beitrag der Juristen zur Entrechtung und Ermordung der Juden, in: Alfred Gottwaldt, Norbert Kampe und Peter Klein (Hg.): NS-Gewaltherrschaft, Beiträge zur historischen Forschung und juristischen Aufarbeitung, Publikationen der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, Band 11, Berlin 2005, S. 87 - 103
zu Hans Globke:
Jürgen Bewers:
Der Mann hinter Adenauer. Hans Globke, Berlin 2009
Braunschweiger Tageszeitung 20.08.1942
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